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Betrachtungen zu meinen bildnerischen Arbeiten

Vor meinem Architekturstudium arbeitete ich mehrere Jahre während der Schulferien in einer Düsseldorfer Glasmalerei. Dabei hat sich mir die Farbe und Transluzenz des Glases und damit seine Aura stark eingeprägt. Natürlich hat auch die damalige Aufbruchstimmung in der Düsseldorfer Kunstszene in den 60er Jahren mit der Zero-Gruppe mich in ihren Bann gezogen. Die Kunst trat zu dieser Zeit aus dem akademischen Rahmen in die Öffentlichkeit hinaus. Die Zero-Gruppe gestaltete zum Beispiel das legendäre »Cream Cheese«, eine Kneipe all over mit Edelstahl-Blechen verkleidet, mit Nagelwänden von Uecker und Alu-Gitter-Raum- gestaltung von Mack und Strobelight, als damals völlig neuem Lichtelement. Die Wirkung von Kunst und Licht hatte etwas „Revolutionäres“. Die Kunst verband sich vollständig mit dem Raum. Seitdem habe ich die Entwicklung der Kunst intensiv verfolgt und beobachtet.

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Viele Künstler haben mich mit ihren Werken beein- druckt. Max Bill und Jean Gorin mit sehr reinrassiger konstruktiver Kunst. Günther Uecker und Heinz Mack mit ihren Strukturen und den Themen Licht und Bewegung. Gotthard Graubner mit seinen Farbvolumen, italienische Künstler wie Piero Dorazio und Paolo Minoli mit Farbstrukturen und Reliefs. Das skulpturale Werk Eduardo Chilidas fasziniert mich durch seine enorme Kraft und Präsenz seiner Skulpturen.

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Zwischen den Disziplinen Architektur und Kunst gibt es viele Berührungspunkte. Meine bildnerischen Arbeiten sind parallel zu meinem Hauptthema Architektur ent- standen als ein für mich wichtiger gestalterischer Frei- und Experimentierraum, deshalb bezeichne ich sie als freie komplementäre Objekte im Raum.

Günther H.C.Becker

Entwerfen, formen, gliedern, komponieren und zusammenfügen sind Grundthemen der Architektur und haben eine enge Affinität zum künstlerischen Gestalten. Auch Kunst wird entworfen, nur mit anderen Strategien und Praktiken. Künstlerisches Arbeiten hat einen anderen Freiraum des Agierens. Der Entwurf bewegt sich vom Rationalen ins Intuitive. Die Entscheidung, was dort stehen soll, trifft man zunächst selbst, ohne die Anbindung an ein Programm von außen, das ein Auftraggeber formuliert. Diesen Unterschied kann man umso besser einschätzen, als man jahrelang im Bereich der Architekturplanung mit engem Spielraum zwischen Programm, äußeren Restriktionen und dem selbst formulierten Ziel des jeweiligen Ganzen gerungen hat. Auch ohne Funktionszwang geht es beim künstlerischen Arbeiten um das Ringen zu einer gültigen Form.

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Architektur hat nicht oder nur in Ausnahmen die Chance, ein Modell 1:1 zu bauen. Bei bildnerischen Arbeiten ist dies möglich. Man kann Arbeiten ändern, im Extrem- fall auch verwerfen. Dieses Maß an Freiheit im Umgang motiviert zu neuen Suchstrategien mit künstlerischen Ausdrucksformen. Als Gegenstände im Gegensatz zu medialen Ausdrucksformen sind Objekte anfassbar, sie sind im realen Raum präsent.

Freie Objekte, dieser Arbeitstitel bezeichnet die von mir ins Auge gefassten Gegenstände, die ihren Bezug zum Entwerfen analog zur Architektur nicht leugnen. Sie sollen als konkrete Gegenstände ohne Funktion einen sinnlichen und emotionalen Zugang über ihre haptische Begreifbarkeit anbieten. Sie sind Objekte, die Energie binden – keine erzählerischen Formen, sondern substanzielle Elemente aus Material, Farben, Oberflächenstrukturen und Formgebung. Der geschaffene Gegenstand kann ein emotionaler sein, allerdings bleibt für den Betrachter die Offenheit erhalten, weil die Formen nicht abbildhaft sind.

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Was ich für mich von künstlerischen Arbeiten erwarte, ist Energie, die sich dem Betrachter mitteilt. Die individuelle Wahrnehmung wird immer unterschiedlich sein, aber es muss ein Funke überspringen. Im besten Fall sollen die Objekte Impulse und Kraft für den Betrachter transportieren.

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Begonnen habe ich 1985 mit Versuchen in quadratischen Formaten und Reihungen – das hat in jedem Fall auch mit Elementen der Architektur zu tun. Materialien aus dem Bauen spielen von Anfang an eine Rolle, jedoch mit der Absicht einer Transformation. Stein, Stahl, Holz, Acrylglas, Farben – plastische, skulpturale Ideen, die auch in den Titeln kenntlich werden. Meine Arbeiten gliedern sich in mehrere Gruppen. Natürlich haben sie alle untereinander eine Beziehung, allerdings mit unterschiedlichen Ausprägungen und Charakteren.

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Im Folgenden sind die Arbeiten nach einzelnen Gruppen beschrieben. Bei allen Unterschieden steht hinter den Konzepten ein gemeinsamer Ansatz von Farb- und Raumwirkung, die unterschiedlichen Materialien bewirken bewusst verschiedene Erscheinungs- und Wahrnehmungsformen. Es sind konkrete im Räum präsente, dreidimensional ausgerichtete Objekte.

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Das transluzente, farbige Material hat eine starke Aura und Präsens im Raum und reagiert im Tages- und Kunstlicht. Deshalb ist dieses Material für meine Arbeiten zentral geworden, nicht als Selbstzweck, es geht nicht um das Material selbst, sondern um die Präsens und Ausstrahlung in Verbindung mit der Form und der Struktur. Gleichzeitig sind Kombinationen mit weiteren Materialien wie Alu und Stahl interessant, die mit ihren unterschiedlich gestaltbaren Oberflächen (Alu schraffiert und Stahl mit Rostpatina) eine Spannung zum Leuchten und transluzenten Plexiglas hinzufügen. Das Acrylglas wirkt je nach gewählter Form und Größe völlig anders.

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Die Lichtbrechung bei kleinen zusammengefügten Teilen ist sehr markant. Größere Flächen wirken ruhig und kraftvoll. Mit diesen Ausdrucksmitteln gestalte ich Wandreliefs aber auch freistehende Objekte, die Bestandteil des Raums werden.

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Entscheidend bleibt ein Unterschied zur Architektur, die Möglichkeit mit den eigenen Händen das Objekt zusammenzufügen und auch noch Korrekturen vor- nehmen zu können. Die gewählten Formate behalten einen Größenbezug zum Betrachter und bleiben damit „begreifbar“, was ausdrücklich erlaubt ist.

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Im Vergleich zu medialen Formen sind die Objekte real im Raum präsent, im positiven Sinne Begleiter und Gegenüber in der täglichen Umgebung. Darin liegt für mich das Hauptmotiv, warum ich künstlerische Arbeiten für wichtig und bereichernd halte.

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